Tarifa

Nach einigen schönen Tagen in Gibraltar bzw dem spanischen Pendant La Linea zuckeln wir weiter nach Tarifa. Die am südlichsten gelegene Stadt des europäischen Festlandes. Es sind kaum 30 Kilometer von Gibraltar aus – und kaum entspannt in Tarifa angekommen, werden wir gleich erstmal wieder von der Guardia Civil angehalten und routinemässig kontrolliert. Man beschäftigt sich intensivst mit unseren Ausweisen und den Fahrzeugpapieren, bemüht ausdauernd das Funkgerät, und läuft dabei etwa zehn mal um das Auto herum. Immerhin verzichteten die freundlichen Herren in Uniform auf einen Blick in den Kühlschrank, man begnügt sich mit einem oberflächlichen Blick ins Fahrzeug…

Aufgrund seiner Lage nahe Afrika, war Tarifa immer wieder Brennpunkt bedeutender geschichtlicher Ereignisse. Sehr viel davon kann man sehen, wenn man durch die Altstadt und entlang der Küste läuft.Der afrikanische Kontinent und sein Rif-Gebirge ist nur 14 Kilometer entfernt und bei gutem Wetter leicht zu sehen.

Im Hafen von Tarifa starten/ enden Fähren nach/ aus Marokko. Den Tagesausflug nach Marokko hatten wir auch vor, und wollten dafür in einem der Läden dort dafür Tickets erwerben. Im ersten Laden gab man uns zu verstehen, dass (angeblich) die nächsten zwei Wochen alles ausverkauft ist. Im zweiten Laden wollte man weder Englisch noch Französisch sprechen, nur Spanisch, was keiner von uns kann. Auch gestikulieren und zeigen mit den Fingern auf die „Angebote“ (in Englisch, Deutsch, Französisch, Arabisch…) hat nicht wie sonst weitergeholfen – man wollte wohl nicht. Sehr ungewöhnlich. Wirklich „witzig“, ein Angebot für Touristen ohne englischsprachiges Personal. Ebenso erging es uns mit den Touren, die Whalewatching anboten: Dort sprach man zwar Englisch, in den nächsten drei Tagen sei aber aufgrund irgendwelcher Wetterverhältnisse leider nicht mit Tierbeobachtung zu rechnen. Okay, immerhin fair dass man uns darauf hinweist, und nicht für absehbar nichts abzockt.

Also erstmal schönen Parkplatz suchen, und dann Altstadt in Ruhe angucken:

Strassenname in der Altstadt von Tarifa 😉

Tarifa ist einer der Hotspots in Europa für die Kiter/ Surferszene. Das ist aber längt auch eine Massenveranstaltung – zu jeder Zeit stapeln sich die Surferbusse auf den Parkplätzen, sind die Strände mit Surfschulen und ihren Schülern gut belegt.

Wir finden ein sehr leckeres und angenehm etwas abseits gelegens Restaurant, lassen den Tag später am Ende der Hafenmole mit spanischem Bier und Blick auf den Leuchtturm von Tarifa ausklingen. Als wir so die Lichter von Afrika im Hintergrund sehen, ärgere ich mich doch darüber, dass man uns zwei Touris nicht spontan auf einer der Fähren unterbringen kann, und wir beschliessen, da morgen in diesem Laden nochmal nachzuhaken.

Der Plan zerschlägt sich aber – alle Läden haben bis um 14 Uhr geschlossen. Okay, es soll wohl nicht sein….ärgerlich, aber nicht zu ändern, wozu aufregen oder noch Zeit verschwenden. Ein paar Kilometer von Tarifa entfernt soll es eine historische Ruinenstadt der Römer direkt am Mittelmeer geben. Da wir keine Lust haben, faul am Strand rumzuliegen, erscheint dies als lohnenswertes Ziel. Die Ruinenstadt heiss „Baelo Claudia“ und liegt direkt an einem schönen weitläufigen Strand, zu dem auch noch das offizielle Naturdenkmal „Sanddüne“ gehört. Die ist zwar „effektiv“ nur etwa 30 Meter hoch, aber irgendwie fordert das hochstapfen dort richtig Kraft.

Blick von der Düne:Endlose Pinienwälder….

Die Ruinen und ein Museum zu der Römerstadt „Baelo Claudia“, seinerzeit wohl ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Zentrum in der Gegend, können von EU-Bürgern kostenlos besichtigt werden (weil die EU die gesamte Ausgrabung bezahlt, wie man erfährt). Man will unsere Ausweise sehen, und wir dürfen uns dann auf dem weitläufigen Gelände frei bewegen. Ich schrieb es ja irgendwo während der Reiseberichte hier schonmal – ich für mich bin ja überzeugt im falschen Jahrhundert oder Jahrtausend geboren zu sein 😉 Und wenn ich dann so über die freigelegten Steine einer 2000 Jahre alten Strasse oder durch die Säulengänge von Tempelresten gehe, vor meinem inneren Auge so einen Römer in seiner Tunika geschäftig entlangschreiten sehe, oder Händler ihre Fische feilbieten, weiss ich auch wieder warum 😉 Wer also mal dort in der Gegend ist – so oder so unbedingt angucken!

Da wir einen schönen Parkplatz und genug Vorräte an Bord haben, beschliessen wir, für heute hier zu bleiben und verbringen den Tag doch noch am Strand und vor allem im Wasser 😉 Abends ist der kilometerlange Strand fast menschenleer, und wir geniessen Ruhe und Freiheit.

Am nächsten Morgen herrscht sehr starker Wind. Wir haben noch genau 7 Tage bis wir wieder in Berlin sein müssen, das Navi sagt runde 3200 Kilometer Strecke. Da wir eigentlich gar nicht weg wollen, auf die Rückfahrt aber auch keine Lust haben, aber auch wissen was da vor uns liegt, kurven wir dort noch ein bisschen durch die Gegend. Allerdings schon irgendwie unmotiviert, immer die anstehende notwendige Rückfahrt im Hinterkopf. Inzwischen ist es auch überall recht voll geworden, mal spontan irgendwo Parken wird auch immer schwieriger. Und als die Guardia Civil uns mittags in Trafalgar anlasslos nochmal eingehend kontrolliert, reicht es dann. Als ob wir wie Flüchtlingshelfer aussehen *grummel*. Wir befüllen das Auto und die Vorräte, unser schöner Parkplaz in Tarifa ist noch/ wieder frei – ein letzter Tag und eine letzte Nacht noch, bevor es Richtung Heimat geht.

Über den sehr wichtigen offiziellen Wegscheucher mit seinem Quad am nächsten morgen um 6 Uhr, der alle Parker mit lautem ans Auto klopfen aufweckt, sie betont grimmig anguckt, Fotos von den Fahrzeugen macht und sich Autonummern aufschreibt, lachen wir nur noch. Ein Strafzettel dazu ist übrigens nie gekommen.

Innerhalb von zwei Tagen sind wir an der spanisch-französischen Grenze und beschliessen dort spontan, einen Umweg über Andorra zu machen.

Ronda (Andalusien/ Spanien)

Vom Mittelmeer ging es dann also ab Marbella wieder in das Landsinnere. Von Normalnull am Meer auf 723 Meter nach Ronda. Luftlinie nur etwa 40 Kilometer Strecke – da es sich aber über endlose Serpentinen um die Berge herum aufwärts schraubt, sind es am Ende fast 200 Kilometer Strecke. Ausserdem sind wir fast 5 Stunden unterwegs – das liegt aber eher daran, dass wir an fast jedem jedem möglichen Punkt anhalten, um die unglaublich schöne Landschaft und Aussicht zu geniessen.

In Ronda angekommen, fahren wir gefühlt zweimal in grossem Bogen um den ganzen Ort, der auf einem hundert Meter hohen Felsplateau liegt, um einen schönen Parkplatz zu suchen. Den finden wir dann schliesslich in den Obstbaumplantagen im Nirgendwo gegenüber. Mit bester Aussicht auf Ronda bei jeder Tag- und Nachtzeit, ohne sich gross vom Auto wegbewegen zu müssen 😉

Es ist fast abartig heiss, teilweise zeigt das Thermometer 45 Grad (Schatten!), nachts kaum unter 30. Trotzdem latschen wir am nächsten Tag durch das Tal bergab und bergauf hinüber zum Ort.

Die Strecke an sich ist eigentlich gar nicht nenneswert, aber irgendwie macht die Hitze uns jetzt doch zu schaffen. Die Stadt selber ist schön, gibt aber nicht all zu viel her. Hauptattraktion ist die „Puente Nuovo“, die die hundert Meter tiefe Schlucht überspannt.

Von der Brücke ins Nirgendwo fotografiert – da hinten links am Horizont, zwischen den Bäumen parken wir…am Ende drei Tage ungestört, bis uns Wasser und Vorräte ausgehen.

Weil ich unbedingt abends ein ganz bestimmtes Panorama da machen will, wollen wir uns das hin- und herlaufen zum Auto sparen, verbringen die Zeit abwechselnd mit schattigen Restaurants und ruhigen Ecken in der Stadt. Die gewünschte Szene zeigt sich dann abends zum Sonnenuntergang in ganz eigentümlichem Licht…

Schon ziemlich matt, machen wir uns dann noch auf den Rückweg durch das Tal zum Auto, und kommen da endgültig fertig zwei Stunden später an. Am nächsten Tag passiert nicht viel – Vorräte haben wir noch, der anstrengende Tag zuvor und die Affenhitze bescheren uns einen ruhigen Tag ohne jede Aktion in der Natur. Nachdem den ganzen Tag keine Menschenseele vorbeigekommen ist, lassen wir nachts alle Autotüren auf. Tatsächlich schlafen wir gut und ungestört, bis uns am nächsten Morgen der dröhnende Motor eines Jeeps weckt. Offensichtlich gehört zum Fahrschulprogarmm in dieser Gegend, in den Bergen Abhänge runter und wieder rauf zu fahren. Ich nehme eher an, man wollte unauffällig mal gucken, wer da so in der Gegend parkt. Nach 15 Minuten ist alles wieder ruhig. Nachmittags laufen wir nochmal nach Ronda, gehen lecker essen, schlendern nocheinmal durch die Altstadt. Der Ruhetag zuvor hat gut getan – obwohl die Temperaturen sich nicht verändert haben uns es unverändert heiss ist, kehren wir sehr entspannt irgendwann nachts zum Auto zurück.

Die gesamte ursprüngliche Reisestreckenzeitplanung hat sich ja in Frankreich schon als Makulatur erwiesen. Irgendwie bringt das ganze planen gar nichts, ausser Druck und Zeitstress. Inzwischen sind wir über drei Wochen hinter unserer Planung hinterher – das holen wir nicht mehr auf, und so beschliessen wir, Portugal für dieses mal zu vergessen. Sind wir ja selber Schuld mit der Trödelei. Da drei Monate irgendwann zuende gehen, überlegen wir uns nun, wie wir die verbleibende Zeit am besten Nutzen, und was wir noch „mitnehmen“. Das nächste Ziel lautet daher: Gibraltar!

Fuengirola – Castillo de Sohail (Spanien)

Nach ein paar Tagen in Granada verabschieden wir uns dort, fahren durch die Berge Andalusiens zurück ans Meer. Bewusst haben wir für diese Strecke die Autobahn gemieden – und werden mit gigantischen Aussichten, Bergen, Tälern und Landschaften belohnt.

Wie immer: KLICK auf das Pano öffnet grosse Ansicht:

Stundenlang fahren wir über teilweise ziemlich enge und sehr kurvige Strassen bergauf und bergab, durchs Hochgebirge Andalusiens, treffen kaum auf ein anderes Auto, geschweige denn Menschen. Nur ab und zu mal 😉

Der kleine Hund ist ganz entspannt etwa 15 Minuten irgendwo auf der Gegenspur vor uns her gelaufen, hat sich gar nicht aus der Ruhe bringen lassen 😉

Es ist dauerhaft tagsüber über 40 Grad heiss, nachts sinkt das Themormeter kaum unter 25 Grad.

Wir übernachten im Niemandsland in den Feldern. Von mittags etwa 17 Uhr bis zum nächsten Morgen sehen wir keine andere Menschenseele.

Ganz Andalusien ist eine Gegend, wo man sich wahrscheinlich monatelang rumtreiben kann, jedenfalls solange man sich nicht an den Stränden aufhält. Tage später erreichen wir trotzdem bei Nerja wieder die Küste des Mittelmeers. Wir übernachten irgendwo an einer Küstenstrasse, und in den nächsten zwei Tagen geht es nun via Torre del Mar und Malaga bis nach Fuengirola. Keine Ahnung was wir erwartet hatten, jedenfalls sind wir grenzenlos enttäuscht: Buchstäblich jeder Meter hier ist eng zugebaut mit ungefähr 20-stöckigen Hotelbunkern, die Städte bis in die Berge hinein mit „Ferienanlagen“ und Appartmentsiedlungen zugepflastert. Die Strände sind dicht mit Badegästen belagert, Parken kostet überall teuer Geld, unglaubliche Massen von Touristen und entsprechender Betrieb nerven uns total – sowieso schon, und nach Tagen und Wochen in ziemlicher Abgeschiedenheit zuvor, erst recht. Zudem werden wir einmal wegen angeblich 38 (statt erlaubten 30 km/h) mit Sofortkasse geblitzt, und weitere zweimal von der Guardia Civil anlasslos angehalten und kontrolliert, um nicht zu sagen gefilzt. Als der sehr wichtige Herr Polizist mit seiner Uniform auch noch in den Kühlschrank im Auto gucken will, muss ich mich ziemlich zurücknehmen nicht pampig zu werden. Spanien von seiner massentouristischen Seite – was haben wir hier verloren?

Nach einer Nacht im Schatten des Castillo de Sohail (noch eine uralte ehemalige maurische Festung) in Fuengirola sind wir froh, wieder ins (erhoffte) ruhige Landesinnere mit Ziel Ronda zu fahren.

Granada (Alhambra)

Nach Toledo und einem spontanen Zwischenstop am Castillo de Almonacid sowie den Windmühlen von Consuegra gehts fast nur auf der Autobahn durch eine grandiose Berglandschaft Richtung Granada. Wir erleben mitten in den Bergen ein wirklich heftiges Gewitter, welches leider das Auto komplett sauber macht. Auffällig ist die angepasste Geschwindigkeit der anderen Autofahrer: Rasen zB in Deutschland auch bei starkem Regen ein paar Unbelehrbare mit hoher Geschwindigkeit durch den Regen, fährt man bei entsprechenden Wetterbedingungen in Spanien sehr angepasst und langsam über die Autobahn- und ich meine nicht die dort sowieso vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h.

Wieder um die Mittagszeit kommen wir in Granada an. Es hat über 40 Grad, dreimal fahren wir im Kreis auf der Suche nach dem Parkplatz. Scheinbar war das Navi nicht aktuell, der Verkehr in der Stadt ist dazu nervig, ein seltsames undurchsichtiges Einbahnstrassensystem verwirrt uns. Der anvisierte Parkplatz liegt auf einem Stadthügel. Beim vierten Anlauf finden wir das dann auch endlich, und werden mit einem schönen ruhigen Platz in zentraler Lage belohnt.

Granada ist nicht nür für seine alte Festung – eben die Alhambra – berühmt, sondern gilt auch als Aussteigerparadies in Andalusien.

Durch einen Zufall kommen wir in Kontakt mit ebensolchen Aussteigern, in diesem Fall aus Deutschland. Man ist der Überzeugung, nichts zu benötigen, übernachtet freiwillig ganzjährig maximal in den umliegenden Höhlen, und will im übrigen seine Ruhe. Bei mir rennt man damit offene Türen ein, und wie immer, ist es dieselbe Geschichte: Gutverdienende Leute aus dem vermeintlich bürgerlichen Leben steigen mit Mitte 40 aus, verkaufen Haus, Porsche und restlichen Besitz und ziehen es freiwillig vor, mit einem kleinen Rucksack voller Habseligkeiten auszukommen und ihr Geld zB mit Gitarrenspiel für die Touris zu verdienen. Über den von einem unserer Bekanntschaften gehörten Satz „am glücklichsten war ich als ich hier ankam, nur mit Schlafsack und nem kleinen Rucksack Klamotten“ könnte ich seitenweise schreiben…

Schon in Frankreich haben wir u.a. einen getroffen, der nur sein altes „Zündapp-25ccm-Mofa“ samt Anhänger für Zelt etc hatte, mit seinen beiden kleinen Hunden vom Verkauf seiner unterwegs gemalten Bilder lebt und sehr glücklich wirkte. Natürlich erfährt man bei solchen Treffen selten die wahren Hintergründe, wie es vielleicht zu diesem Lebenswandel gekommen ist, warum und wie jemand wirklich so lebt. Dennoch gibt es eine ganze Reihe Menschen, die „ausgestiegen“ sind und freiwillig und ohne Not ihr sehr individuelles Leben leben. Die findet man selten bis nicht im Netz und schon gar nicht bei Facebook, die kann und muss man live treffen.

Für mich als sowieso überzeugten Minimalisten und meine Begleiterin als „mich intressiert Materielles nicht“ – eröffnet die Offenheit und Geschichte unserer Bekanntschaft in Granada immer noch neue Sichtweisen und Perspektiven. Bis morgens um 4 sitzen wir zusammen am Lagerfeuer, grillen trinken und unterhalten uns. Drei Nächte geht es so, Fotos geraten in den Hintergrund. Tagsüber zeigt das Thermometer 45 Grad im Schatten. Wir kommen wieder!

Nach einigen Tagen fahren wir dennoch weiter….erstmal zurück ans Meer.